In Gemeinschaft Wachsen

Ideen, Gedanken und Beobachtungen als Anregung zum offenen Dialog

Tod und Leben

Ich hatte in den letzten Wochen einige unfreiwillige Begegnungen mit dem Tot. Alles begann, als ich vor einigen Wochen erste Hilfe für einen älteren Mann in der Fußgängerzone von Köln leisten musste. Gott sei Dank war sehr schnell noch eine kompetentere Person anwesend, die sich als medizinische Fachkraft zu erkennen gab und die Regie bei der Wiederbelebung übernahm. Ich kenne leider das Ende der Geschichte nicht, denn für mich endete sie an der sich schließenden Tür des Rettungswagens. Ich vermute aber dass sie nicht gut endete. Unsere beiden Leben haben sich also nur für 15 Minuten auf tragische Weise berührt. Ich weiß nichts von diesem Menschen, nicht wie er war, noch wie sein Leben weiter ging. Und trotzdem ist da eine Verbindung, die mich wahrscheinlich nie mehr loslassen wird.

Die nächste Erfahrung hatte ich mit einem Motorradfahrer, der mir entgegen kam. Sein Hinterrad rutschte beim herausbeschleunigen aus der Kurve weg und er musste deshalb sein Motorrad aufrichten, womit er natürlich auf meine Fahrspur kam. Wir beide haben gut reagiert und konnten so den Crash vermeiden, aber 10 Meter weiter vorne oder ein paar km/h schneller und es wäre passiert.

Und dann einige Tage später sah ich Ihn(den Tod in Person), groß, dunkel, steif und mich beobachtend aus der Ferne! Er stand zwischen den Bäumen und schaute mich an. Ich hab ihn fotografiert, aber man kann ihn natürlich auf dem Bild nicht sehen. Hirngespinst oder nicht, ich hab mich mit ihm unterhalten. Ich hatte keine Angst, denn ich wusste meine Zeit ist noch nicht gekommen. Es war auch eher ein Monolog, aber mir wurde klar, was für einen großen Teil er in meinem Leben ausmacht. Ich denke mein allergrößter Wunsch ist schon immer, dass wenn der Moment gekommen ist, ich ruhig auf mein Leben zurückblicken kann und sagen kann, dass alles so gut ist, wie es ist. Keine Reue oder ähnliches. Und dann meinen Arm um den Tod legen und mit ihm in Freundschaft den neuen Weg gehen. Nachdem ich ihn jetzt gesehen habe, muss ich wohl anfangen dieses Bild neu zu formen. Denn wenn mein inneres Ich nicht extrem viel größer ist als ich heute bin, werde ich wohl meinen Arm maximal um seine Hüfte legen können. 😉

Bis dahin werde ich aber alles tun, damit das Zurückblicken nicht doch mit klammern und ein „ich wollte doch noch…“ endet. Damit das funktioniert, habe ich dieses Wochenende seit langem mal wieder Zeit, nur für mich. Das ist Zeit, bei der ich wieder in mein Inneres gehen kann und fragen, ob alles so gut ist oder was ich abändern muss.

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3 Kommentare

  1. andrea Oktober 19, 2017

    ob es am herbst liegt, dass das abschiedliche gerade wieder so präsent ist? bei mir war es der besuch einer trauerfeier vor ein paar wochen, der ähnliche gedanken aufgeworfen hat…so ganz ohne reue werde ich wohl nicht vom platz gehen, dafür gab und gibt es einfach zuviele brüche und nichtgelebte aspekte in meinem leben. aber die reue versöhnlich in den arm nehmen zu können (und den anderen arm um den tod zu legen 😉 , das wünsch ich mir…und btw, in captain fantastic-diesem grossartigen film- wird der umgang mit dem tod auch auf inspirierende weise thematisiert. und btw2, die rede auf der trauerfeier war ganz wunderbar und ganz abseits von bisher bekanntem. es geht also auch hier anders. ..hab eine gute alleinzeit!

  2. Katja November 4, 2017

    Spannende Erfahrung. Fragen rund um den Tod begleiten mich seit dem 14. Lebensjahr. Zuletzt habe ich meine Schwester sterben sehen und ihren bewussten Umgang mit dem nahenden Ende beobachten und bgeleiten dürfen. Gerade diese Erfahrung hat mir ein wenig den Schrecken genommen.

    Und dann war da noch das: Ich habe mal in einem Seminar eine „Sterbensmeditation“ gemacht. Wir sollten uns dabei beobachten, wie wir sterben werden. In dieser Meditation sind in mir sehr warme und schöne Bilder aufgetaucht.

    Ich lese gerade ein spannendes Buch. Der erste Satz in diesem Buch „Du stirbst. Also beginne zu leben!“ So ist es. Also lasst uns leben, lieben, verzeihen, anderen und uns selbst vergeben!

    Danke für diesen Beitrag, Jeremy.

  3. jeremy November 22, 2017 — Autor der Seiten

    Es ist soo schön & inspirierend Eure Gedanken zu meinen Blogbeiträgen zu lesen. Danke dafür! Ja wer den Tod als fester Bestandteil unseres Lebens akzeptiert, kann sich dem Leben zuwenden. Es ist das Ende, welches uns so unmissverständlich auf den Wert einer jeden Sekunde hinweist. Also lasst uns das Leben umarmen und genießen, danach sehen wir uns an einem anderen Ort mit neuen Abenteuern wieder. Das ist auch ein tröstender Gedanke, dass wir danach in dem „alles ist eins“ zusammen verschmelzen. Es ist also wenn es soweit ist, eh nur ein Abschied auf Zeit.

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