Noch niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit hatten wir so viel für unser Leben zur Verfügung, noch niemals eine solche Freiheit mit eigenen Entscheidungen aus einer solche großen Anzahl an Möglichkeiten unseren Lebensweg zu wählen. Leider hat nicht in gleichem Maße die Zufriedenheit in der Gesellschaft zugenommen. Wer mein Produkt Sumak Kawsay kennt, weiß wie sehr mich die Erfassung unseres Wohlbefindens (und von welchen Faktoren dieses abhängt) beschäftigt. Wir streben alle nach dem Glück und blenden dennoch gerade die Faktoren oft aus, die uns bisher Momente des Glücks beschert haben. Von allen Seiten wird uns aufgezeigt, wie das Streben nach Glück erfolgreich verläuft: Die Medien zeigen die Reichen und Schönen und ihr luxuriöses Leben, die Nachbarn das neue Auto und wohin die letzten Reisen gingen, das Eigenheim gilt als Hort der Glückseligkeit. Interessant dabei ist, dass das widersprüchlich zu unseren eigenen Lebenserfahrungen ist und wir es trotzdem glauben wollen. Wenn ich in meinen Erinnerungen nach glücklichen und zufriedenen Momenten suche, fallen mir meist banale aber sehr intensive Momente ein: das gemeinsame Kaffeetrinken mit einem Freund, am Lagerfeuer sitzen mit einer Horde an Kindern auf einem Pfadfinderlager, bei dem ich Leiter (oder besser Begleiter) sein durfte, eine Motorradtour, Klettererlebnisse, der Moment als unser ältester Sohn zum ersten Mal die Sterne registriert hat und uns diese total fasziniert gezeigt hat, … Und trotzdem lasse ich mich immer wieder auf das Hamsterrad ein, leider bin ich auch nicht gefeit vor den Verführungen des Konsums. Doch mit jedem guten Buch, das ich mir kaufe und nicht aus der Bibliothek ausleihe, kommt das Gefühl auf dieses mit Menschen teilen zu wollen.
Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die Reichtum verteufelt. Ich glaube daran, dass man Geld ethisch korrekt verdienen und mehren kann. Geld stinkt in meinen Augen (oder soll ich sagen in meiner Nase) nicht, maximal das Handeln, mit dem es manche zu erreichen versuchen. Ich denke wir können alle in Reichtum leben. Vielleicht muss ich dazu einiges definieren: Reichtum ist in meinen Augen ein positives Empfinden der eigenen Lebensumstände. 95% in Deutschland haben Lebensumstände, wie sie in den meisten anderen Ländern dieser Welt als Wunschvorstellung gesehen werden, aber dennoch wird es als Mangel empfunden. Ich habe Menschen getroffen, die nahe der in Deutschland definierten Armutsgrenze gelebt haben und sich als Reich empfunden haben und ich kenne Menschen die das 20-fache verdienen und sich über die fehlende Chancen beklagen auch zu Reichtum zu gelangen. Mangel und Reichtum sind also keine messbare Größe des Besitzes, sondern eine eigene Wahrnehmung. Und weil das so ist, leben wir in einem Überfluss von allem und fühlen uns dennoch nicht reich. Ich hab einen wunderbar treffenden Satz dazu gehört, aus einer wunderbaren Dokumentation, die ich auch gleich mal verlinken möchte(Video): „Dieses Viel verhindert oft, dass wir eine Bindung zu dem kriegen, was uns dann wirklich am Herzen liegt“. Dieser Satz hat bei mir viel Resonanz gefunden. Jeder aus meiner Zeit kann sich an sein erstes richtiges Fahrrad erinnern. Man hat lange darauf gehofft und es sich gewünscht, bevor man es bekommen hat. Viele von uns mussten selber Geld ansparen und etwas dazu geben. Jedem war klar, wenn es kaputt geht, bekommt man kein Neues. Dadurch war es weit mehr als ein einfacher Gebrauchsgegenstand. Um diese Erfahrung betrügen wir heute oft unsere Kinder. Sie fühlen sich nicht reich, wenn Sie ein Fahrrad besitzen. Das Gegenteil ist der Fall, sie fühlen den Mangel, wenn Sie nicht das neuste Modell mit tausend Extras besitzen und deswegen auf dem Schulhof belächelt werden. Gibt es da einen direkten Zusammenhang zwischen Mangel und Überfluss? Es gibt so viel Schönes, das ich mir vorstellen kann zu kaufen, aber nicht vorstellen kann alleine zu besitzen: künstlerische Bilder oder Objekte (welchen Sinn haben sie wenn sie niemand sieht?), gutes Werkzeug (steh ich total drauf – bringt aber nichts wenn es nicht genutzt wird), tolle Bücher, Filme & Musik-CDs (machen nur halb Spaß, wenn man sie nicht teilen kann und darüber reden), Motorrad (steht doch die meiste Zeit nur rum)… Kurz ich würde mir von alle dem lieber die qualitativ hochwertigen Varianten kaufen und dafür mit vielen Menschen teilen. Wir hatten in unserer früheren WG abwechselnd gekocht und das gemeinsame Essen wirklich zelebriert. Weder war das Kochen so eine Last, meist sogar eine Lust, noch eine einfache Nährstoffzufuhr. Und günstiger war es noch obendrein. Und weil es immer ein Fest war, hatten wir immer zusätzliche Gäste. Wenn also Überfluss Mangel hervorruft, kann dann Minimalismus Reichtum erschaffen? Aktuell schwappt die Idee von Tiny-Häuser aus den USA nach Europa, wobei es auch hier Menschen die in Bauwagen oder ähnliches leben schon immer gab. Eine Grundidee dabei ist jedenfalls, sich auf das Wesentliche zu beschränken, um mehr Freiraum für das wirklich wichtige zu haben. Nach dem Motto: „Gemeinsam feiern, statt großes Haus putzen“. Ich unterhalte mich oft mit meiner Frau über das Thema. Ich persönlich glaube (und hoffe dass ich mich damit nicht in Wirklichkeit einfach nur selbst bescheiße) dass der Fokus für den Reichtum mehr beim Teilen als beim Minimalisieren liegt.
Das ist auf jeden Fall etwas, mit dem ich mich in nächster Zeit vermehrt auseinandersetzen werde. Das schöne ist: Wir müssen es nur beobachten und registrieren. Also wenn ihr in nächster Zeit tolle Momente inneren Reichtums empfindet, freue ich mich, wenn Ihr mir diese mitteilt und dazu vielleicht schon sagen könnt, welche Faktoren diesen Moment beeinflusst haben. Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen.